Thomas Gödecke
Wie soll ich anfangen, es ist eine lange Geschichte, mit einem schönen Happy End. Also, ich wollte schon immer so eine O-Jolle fahren und mit ihr Wettfahrten bestreiten. Und es kam wieder einmal anders, als ich es mir vorgestellt hatte, aber so ist das Leben. Nachdem ich zwei Jahre versucht habe, zwei von mir erworbenen O-Jollen zu restaurieren, kam ein Boot ins Spiel, bei dem ich nicht nein sagen konnte. Auf der Homepage der holländische Seite der O-Jollen Klassenvereinigung sah ich eine MIK O-Jolle wie aus dem Laden. Einige E-Mails getauscht und dann ab nach Holland. Als ich Herbert Kasperschinsky anrief, wurde alles ganz anders. „Charlie, ich besorge Dir eine White Card, dann kannst du mit zur Deutschen, haste Bock?“ das waren seine Sätze am Telefon, mein Grinsen wurde über beide Ohren gesichtet. White Card ist eine Erlaubniskarte, die man nur durch besondere Umstände erhält, wie bei mir durch einen Trauerfall, ich konnte an keiner Qualifikationsregatta zur Deutschen Meisterschaft teilnehmen. Und so hat es Herbert gedreht. Ich musste nur noch den Deutschen Messbrief beantragen, dann wurde aus NED 552 die deutsche Nummer GER 1532. Nach einigen Telefonaten mit Herbert sind wir dann am Sonntag den 22.09.2019 abends losgefahren aus Magdeburg. Nach knapp 750 Kilometer waren wir am Ziel, Utting am Ammersee beim Augsburger Segelclub. Ein schönes Bootshaus, aber als erstes mussten wir unsere Sachen fertigmachen, Wohnmobil aufbauen, Zelt aufbauen und dann war erstmal etwas Ruhe. Die neuen Gesichter, die ich noch nicht kannte, mussten erstmal Platz in meinem Kopf finden. Am Montagmorgen, eigentlich alles ruhig, bis auf dass wir noch mit unseren Booten zur Vermessung mussten. Und die Ruhe war weg. Wir mussten uns, bevor wir hier her gefahren sind, eine so genannte Vermessungs-Urkunde aus dem Internet herunterladen. Und da stand alles drauf, was an den O-Jollen vermessen wird. Das war nicht wenig, weil alle Boote der 69 Teilnehmer vermessen werden sollten. Mein Magen drehte sich, weil so etwas Abgefahrenes, so etwas Akribisches mir noch nie vorgekommen ist. Aber es klappte. Wir sind dann am Montagmittag angekommen, da war die Vermessung schon vorbei. Sie ging aber am Dienstagmorgen schon um 08:00 Uhr wieder los. Aber wir mussten unsere Boote abstellen und den Wagen parken und, ja dann ging es los zur Brauerei Andechs. Mir war schlecht, erst fast 800 km mit dem Auto fahren und dann zur Brauerei. Gut, was soll es, habe ich mir gedacht, neue Segelklasse, neue Leute. Und dann sind die alle ganz anders gewesen, als ich es mir vorgestellt hatte, ganz locker ganz ruhig, ganz wie Segler im besten Alter. Am nächsten Morgen war es fast vorbei mit dem ruhig sein, um 10:00 Uhr war Eröffnung der Internationalen Deutschen Meisterschaft durch den Vorstand vom DSV Torsten Haverland, Geschäftsbereich Leistungs-und Wettsegeln. Nach der ganzen Rederei gab es Weißwurst, Brezeln und Bier. Und um 13:00 Uhr war dann der erste Start angesetzt, doch leider zeigte sich der Ammersee von seiner besten Seite und Rasmus gab sein Bestes dazu. Also wurde der Start, nachdem wir ca. 2 Stunden auf dem Wasser waren, für den heutigen Tag abgebrochen. Am nächsten Morgen um 10:00 Uhr war wieder Start angesetzt, Wind mit ca. 4 Bft. Und in den Böen bis Windstärke 6. Also etwas ungemütlich auf der O-Jolle. Es wurden für die nächsten Tage jeweils 3 Wettfahrten angesetzt pro Tag. Kein Olympisches Dreieck, sondern Up und Down Kurs mit einer Länge von ca. 3 km pro Kreuz. Das Ganze dann 2-mal pro Wettfahrt, 2-mal Hochkreuzen und 2-mal vor dem Wind durchs Tor. Das ist eine Leistung. Vor dem Start am Dienstag merkte ich, dass ich meine Start-Uhr zu Hause vergessen hatte, aber zum Glück ist eine Uhr bei mir im Boot installiert, das war die Rettung. Um 09:00 Uhr mussten wir aufs Wasser, weil um 10:00 Uhr der Start angesagt war. Die Segel knatterten so laut, dass man das Signal der Startsequenz nicht hören konnte, nur das Flaggensignal konnte man sehen und das war gut so, weil es ja vorgeht vor dem akustischem Signal. Also hatten wir noch 5 Minuten bis zum Start, welche Seite jetzt nehmen, welche Seite war im Vorteil, eine schnelle Entscheidung musste her und diese muss richtig sein. Linke Seite, also auf zur Starttonne, doch leider dachten auch viele andere Segler so. 4…3…2…1…Start. Der erste Lauf zur Internationalen Deutschen Meisterschaft der O-Jollen 2019 war gestartet, bei 6 Windstärken der HAMMER… Ich kann zwar segeln, aber bei so einer O-Jolle muss man lernen, wie, wo und was man machen muss. Sonst bockt das Ding, und zwar ordentlich. Bis zur ersten Tonne (Luvfass) war ich gut im Rennen, doch auf dem Vorwindkurs war es ganz anders als im Laser. Kein Geigen, kein Krängen, kein Flattern im Segel, einfach ruhig. Aber ich lag falsch mit meiner Vermutung, je mehr ich mich umsah, desto weiter bin ich nach hinten gefahren. Unten am Gate konnte ich mir aussuchen, welche Seite ich nehmen wollte. Dann wieder an der Kreuz hoch zum Luv-Fass. Und mitten im Feld bei einer Wende dann das absolute Malheur.. Ich dachte, man kann die O-Jollen fahren wie ein Laser in der Rollwende, doch Uriel (das war der Name des Schiffes) machte mit mir, was es wollte. Ich flog aus dem Boot und landete im Wasser, doch das Boot fuhr einfach weiter. Zum Glück löste ich vorher noch die Großschot, hinterher schwimmen brauchte ich nicht, selbst ein Schnellschwimmer wie damals Michael Groß wäre nicht hinterher gekommen. Die DLRG fand mich und fragte, was ich hier mache; Baden sagte ich, meine Fähre ist da vorn, könnt ihr mich hinbringen? Also packten sie mich in ihr Schlauchboot und fuhren mich zu meinem Boot. Wie gesagt, das ganze Feld war vorbeigesegelt und ich war nun Letzter. Ich segelte zum Startboot und wartete bis zum nächsten Start. Das dauerte und dauerte. Den ersten Lauf gewann Jürgen Alberty vom SCC aus Niedersachsen, den 2. Platz machte Thies Bosch aus NED, 3. Platz Göran Freise WBF aus Magdeburg. Den zweiten Lauf machten sie gleich danach, mit dem Durchgang des letzten Regattaseglers als Vorbereitungssignal. Wieder warten, und wieder war es so, dass man die richtige Seite wählen musste, der Wind hatte gedreht und es war weniger Wind, so ca. 4 Bft. Aber eine kurze, steile, harte Welle hatte sich aufgebaut. Ich denke ¾ Meter hoch war sie, ich kenne das von Steinhude, gefährlich hart so etwas. Ich war dieses Mal auf der richtigen Seite, aber was war das, ich blutete aus dem Neopren Stiefel am rechten Fuß. Sch….e , oh man, was war das, das ganze Schiff blutrot. Die anderen starteten, aber ich fuhr zurück, weil ich wissen wollte, was das war. Boot auf den Slipwagen und da waren Gott sei Dank einige Passanten, die mir geholfen haben. Erstmal zum DOC. Irgendetwas kommt immer bei mir vor. Es war eine Entzündung im großen Zeh unter dem Zehennagel, also wieder verarzten lassen und warten. Den zweiten Lauf gewann Luuk Kuijper NED vor Thies Bosch, ebenfalls NED. Den dritten Platz belegte Johannes Schulte vom SLSV aus Steinhude. Den dritten Lauf habe ich mir von Land aus angesehen, weil ich ja mit meinem Verband nicht segeln konnte. Den dritten Lauf gewann Harry Voss vom SLSV aus Steinhude, gefolgt von Göran Freise vom WBF aus Magdeburg und den dritten Platz fuhr Thomas Müller- Merx vom Segelverein SVST vom Strielitzer See nach Hause. Ja, abends wurden alle wieder etwas ruhiger und man kam wieder aufeinander zu. Wir waren zu einem Italienischen Abend eingeladen worden. Der Veranstalter empfing uns sehr gemütlich und herzlich und eröffnete dann das Büfett. Als ich davor stand, war mir etwas komisch zumute…weil es nur Grünzeug gab …kein Fleisch…also Teller her und Grünzeug drauf …, dazu gab es Rotwein in Litern, soll ja ab und zu auch helfen. Nach ca. einer Stunde roch es nach Fleisch, der Grill wurde angemacht und es gab Rippchen, Nackensteaks und Dorade sowie Forellen. Die meisten waren schon satt, Herbert war noch am Stopfen und sah mich an:“ Charlie iss was.“ Nee, sagte ich …es geht nichts mehr rein. Irgendwann sind wir beide so um ca. 01:00 Uhr nach Hause, stockdunkel am Wasser lang gestolpert über Stock und Stein, weil wir mussten ja morgens früh wieder um 09:00 Uhr auf dem Wasser sein, um pünktlich um 10:00 Uhr wieder zu starten. Ich bin, muss ich dazu sagen, jeden Morgen mit einem alten DDR Klappfahrrad zum Bäcker gefahren. Nur es ist nicht wie bei uns, gerade Wege, neee neee , Berg rauf, Berg runter und das ganze jeden Morgen 4 Kilometer hin und dann wieder 4 Kilometer zurück. Das war schon eine ganz schöne Tour, wobei ich zum Schluss die letzten Höhenmeter immer das Fahrrad geschoben habe, es ging nicht mehr. Donnerstagmorgen ging alles wieder von vorne los. Erst zum Bäcker, dann Boote fertig machen und dann raus aufs Wasser. Und um 10:00 Uhr war es wieder soweit, pünktlich wurde wieder der 4. Lauf zur IDM der O-Jollen am Ammersee gestartet. Der Wind drehte in etwa so …30 Grad nach Süden ….und man merkte es, es wurde etwas kälter….So, der 4. Lauf zur IDM der O-Jollen wurde wie immer…von der Startsequenz orientiert, alle waren wieder am Durcheinander fahren, um die beste Startposition zu bekommen. Dann war es so weit……5.-4.-3.-2.-1.- Start. Es war so, als ob man einen Haufen Bienen los lässt…und alle wollen zur Blüte. Die vorderen Plätze wurden wieder hart umkämpft, als erster ging über die Ton op de Weeght aus Holland, den zweiten Platz belegte Knut Wahrendorf vom Berliner Segelclub TSG (Tourensegler Grünewald), und den dritten Platz belegte Göran Freise vom Magdeburger Segel Club WBF. So, nun auf zum 5. Lauf. Gestartet wurde wieder kurz nach Ziel-Einlauf des letzten Seglers, also recht zügig, ohne irgendwelche Unterbrechungen. Der 10 Minuten-Schuss kam, und es war wieder eine nervenaufreibende Sache, welche Seite zum Starten die beste war. Recht veranschaulicht hatte diesen Start Kay Nikelkoppe vom Segelclub Starnberg ( SCS ). Kai fuhr einen Start- Ziel-Sieg in diesem Lauf, gefolgt von Knut Wahrendorf vom Tegler Segelclub. Den dritten Platz belegte Jürgen Alberty vom Seglerclub Clarholz vom Dümmersee. Und ich sammelte in diesem Lauf wieder sehr viel Erfahrung mit dem neuen Boot. Es ist nicht einfach, in einer neuen Segelbootklasse vorne mit zu fahren, es ist anders als auf einem Laser! Hier entscheiden kleine Trimm-Möglichkeiten, wie schnell so eine O-Jolle fährt. Aber ich lerne noch dazu. Den 6. Lauf zur IDM am Ammersee fuhren wir wieder im Anschluss mit Durchgang des letzten Teilnehmers. Das Startsignal kam und alle waren bei Null über die Startlinie gekommen. Nicht einen einzigen Massenfrühstart gab es. Der Wind drehte wieder auf westliche Richtung, das Wasser wurde etwas ruhiger, aber nun setzte Regen ein. Oben nass, unten nass, so wie wir Regattasegler das Segeln kennen. Vom Start an fuhr Thies Bosch aus Holland die Bahn mit Speed und Taktik, an der Kreuz fuhr er allen davon. Die Manöver an den Tonnen waren exzellent. Dieses Up and Down Segeln hat seine Vor- und Nachteile, der Vorteil, so meine Meinung, schön lange Kreuzschläge. Der Zieldurchgang sah dann im 6. Lauf so aus, 1. Platz Thies Bosch, zweiter Platz Knut Wahrendorf vom TSG, dritter Platz Wolfgang Höfner vom SVH (Seglervereinigung Hüde). Und ICH, naja, Platz 55. Nach dem Einlaufen in den Hafen wurden die Boote immer schön fein säuberlich eingepackt, nur als wir gerade fertig waren, standen einige Frauen da, mit Bier auf einem Service Tablett. Dieses wurde gerne angenommen und getrunken. Der Abend war dann eine Kostprobe vom Feinsten, mit Blasmusik wie auf dem Oktoberfest, Spannferkel mit original bayrischen Knödeln. Der Abend wurde wieder lang, die Nacht wieder kurz. Am Morgen dann das gleiche Spiel wie in den vergangenen Tagen. Bäcker….Frühstück….Wasser, nur dieses Mal war es der letzte Tag mit den letzten Regattaläufen zur Deutschen Meisterschaft 2019. Und dieses Mal wurde Herbert Kasperschinsky aktiver als sonst, er belegte mit Platz 13 und Platz 7 sehr gute Erfolge, was ihn in der Wertung sehr weit nach oben brachte. Im vorletzten Lauf belegte Harry Voss vom Schaumburg Lippischen Segelverein von Steinhude den 1. Platz. Den 2. Platz Jürgen Alberty vom SCC und den dritten Platz Wolfgang Höfner vom SVH. Der letzte Lauf wurde dann für den Deutschen Meister sehr aktiv gefahren. Positionskämpfe zwischen Thies Bosch ( Holland ) und Jan Ten Hoeve. Dann stand es fest. Jan Ten Hoeve gewann den letzten Lauf und gewann damit die Internationale Deutsche Meisterschaft 2019 mit 29 Punkten. Vor Thies Bosch aus Holland mit 30 Punkten, vor Luuk Kuijper ebenfalls Holland mit 34 Punkten. Herbert wurde insgesamt 19. und ich landete auf Platz 55. Naja, wir lernen noch von den alten „Säcken“. In diesem Sinne, Mast und Schotbruch für die Saison 2020. Euer Charlie Gödecke