Natürlich fand sie statt – sie findet jedes Jahr statt (seit 2009) (und vor 2008 auch immer). Am 1. August brachen mal wieder überschaubare sieben Billunger auf, fremde Gewässer unsicher zu machen. Eine SSV-Wanderfahrt mal wieder im Ausland. Juhu! Die lange Autofahrt in die tschechische Hauptstadt Prag war lang, die Athleten schlaftrunken und es war heiß. Es wurde nur kurz aufregend, als sich die Meinung durchsetzte, in Tschechien wäre eine Autobahnvignette von Vorteil – wir hatten nämlich festgestellt, dass wir keine haben. Der ADAC hatte es vermasselt. Also betrat Häffa irgendwo in Sachsen eine Tankstelle, in der er verkündete, er habe eine Frage. Dem entgegnete die Tankstellenfrau direkt: „Sie können hier tschechische Vignetten ham“. „OK“, sagte Häffa, kaufte eine und fuhr Ford. Der Rest der Anfahrt war – gelinde gesagt – ereignislos. Angekommen im prächtigen Prag fühlten sich die Ruderer von der Ruderinsel angezogen. Das war auch gut so, denn dort war das erste Zeltlager angesetzt. Der Pavillon, der wegen der geringen Teilnehmerzahl Platz für Küche, Essraum, Spielhölle und Schlafgemächer bot, war flugs aufgebaut, das erste Essen gekocht und einverleibt und die Schlafsäcke in den Gemächern ausgerollt, sodass das Abendprogramm beginnen konnte. Der Terminplan war überfüllt, jedoch fehlte die Energie, die wenigen Kilometer ins Zentrum zu bestreiten. Man entschied sich daher, ans malerische Moldauufer zu gehen, sich laut stöhnend hinzusetzen und sich sitzend einen Ball zuzuwerfen, dabei angeregt zu debattieren.
Der folgende Tag begann sonnig und angenehm warm, sodass wir uns beeilten, damit wir uns schon mittags auf den Weg machen konnten, das Zentrum zu erleben. Zu unserer Verteidigung: Einkäufe mussten auch noch erledigt werden; erfahrungsgemäß sind Billunger hungrig, wenn sie aus Prag zurückkommen. Auf dem Weg in die Stadt (per pedes) stellten wir schnell fest, dass das mit dem angenehm warm ein Trugschluss war – es war bullenheiß. Da wir unterwegs dachten, wir gehen alternative Wege abseits der großen Straße, lernten wir Prag kennen, wie es wirklich ist: heiß, übelriechend und langweilig. Zumindest war das Vorstadtviertel, das wir durchquerten, so. Um dieses Bild sich nicht einbrennen zu lassen, kauften wir uns im Touristenschlauch (ein etwa 30 m langer Gang, mit unfassbar vielen Touristen, bunten Farben, und viel Ramsch zu unmenschlichen Preisen) einen Stadtführer. Dieser bot zwar viele ausschweifende Erzählungen zu historischen Persönlichkeiten, half uns Banausen in dem Moment aber weniger. Für einen Besuch der Prager Burg war es bereits zu spät, sodass wir eine kleine Runde in der Altstadt drehten, uns probeweise auf Segways stellten (kleine einachsige Gefährte) und uns langsam Eis schleckend auf den Heimweg machten. Das Abendessen war nett gemeint aber Vollkatastrophe. Etwas so Erbärmliches haben selbst leiderprobte Billunger noch nie auf dem Teller gehabt. Den Autoren fehlt die Kraft, diesen Fraß noch einmal zu beschreiben. Lasst euch/ Lassen Sie sich, liebe Leser, aber gesagt sein: Schön war es nicht.
Der dritte Tag war ebenfalls als Aufenthaltstag immer noch in Prag angesetzt (ja, wir sind erst am vierten Tag gerudert, aber dazu später). Wir entschieden uns aber, Tagestickets für den Prager ÖNVP zu kaufen, damit wir uns das stundenlange Gelatsche sparen konnten. Wir kannten den Weg ins Zentrum inzwischen ja schon. Dort angekommen eroberten wir die Karlsbrücke und stellten schnell fest, dass die Gruppe sich bald in zwei Lager spalten sollte. Zum einen die kulturell Interessierten und zum anderen die eher Uninteressierten. Nichts destotrotz waren beide Gruppen gleich schnell und trafen sich somit wieder oben auf der Prager Burg. Dort bekamen wir einen wunderschönen Ausblick über Prag. Am Nachmittag machten wir es uns in einem Café gemütlich und traten darauf den Heimweg an. Dort verzehrten wir ein normales Essen. Nach dem Abendprogramm, welches aus Kartenspielen bestand, dachten wir uns, dass es schön sei das Tagesticket voll auszukosten und fuhren noch einmal zu später Stunde in das Zentrum. Dort angekommen wurde uns das Synonym für Prag (die goldene Stadt) klar. Alles erleuchtet in goldenen Farben war gleich dreimal so schön wie den Tag davor. Aus uns unbekannten Gründen sitzen in Prag nachts alle Leute auf dem Platz. Um nicht aufzufallen und uns als Touristen zu verraten, beschlossen wir, uns dazuzugesellen und einige Zeit zu verharren, bevor wir den Rückweg antraten.
Der vierte Tag und damit die erste Etappe brach an. Dass sie lang sein würde und wegen der geringen Strömung und den vielen Schleusen einige Zeit in Anspruch nehmen würde, war uns klar. Wir legten um elf Uhr vormittags ab, und ruderten fröhlich los. So zog sich der Tag hin. Nur halt sehr langsam. Wir stellten um 17:30 fest, dass die tschechischen Schleusenwärter auch irgendwann mal Feierabend haben. Somit sahen wir uns einem Problem gegenübergestellt. Denn die Schleuse, vor der wir lagen, war sehr lang, die Einsetzstellen ungeeignet und das Umtragen würde viel Zeit und vor allem Kraft in Anspruch nehmen. Außerdem war es noch wirklich weit zum Etappenziel und es war auch nicht die letzte Schleuse. Das Handy, das eigentlich im Seesack unser Begleiter sein sollte, war auf der Pause im Billungbus geblieben, sodass wir keine Wahl hatten: Wir mussten in den sauren Apfel beißen und tragen. Es dauerte, aber wir haben es geschafft. Wir fuhren also schnell weiter, sind dem sicheren Tod knapp entgangen, als Kinder uns von der nächsten Brücke mit Steinen bewarfen und uns nur knapp verfehlten. Die Sonne war unbestechlich. Sie sank und sank. Als wir in den Moldaukanal einbogen, wussten wir, dass es noch etwa 15 km und eine Schleuse bis zum Ziel waren. Zeitgleich kämpfte der Landdienst mit dem Anhänger, welcher (durch ein kleines Navigationsmalheur) an einem steilen Berg mit der schmalen Straße gewendet werden wollte. Obwohl dieser bereits abgehängt war, passte er einfach nicht quer auf die Straße. Es fehlten wenige Zentimeter, die von einem Mülleimer beansprucht wurden. Daher fassten wir den Entschluss, den Mülleimer kurzerhand zu demontieren. Angekommen in Melnik brachte der Landdienst bereits das Gepäck nach oben (2. Obergeschoss in einem wunderschönen Holzbootshaus) und begann mit der Vorbereitung des Eintopfes. Das Ruderboot legte währenddessen trotz der fortgeschrittenen Erschöpfung und Poschmerzen der Besatzung tapfer Kilometer um Kilometer zurück. Die Sonne war bereits untergegangen und ohne Beleuchtung zu fahren lag bereits in der rechtlichen Grauzone. Aber was sollten wir machen? Die letzte Schleuse lag nur etwa 700 Meter von Zielbootshaus entfernt. Um uns zeitraubende Diskussionen zu ersparen, stieg der erfahrenste Ruderer der Besatzung aus, um zu entscheiden, ob Umtragen möglich sei, und wenn ja, wo und wie. Es war tatsächlich möglich, auch wenn das Boot über eine geschlossene Schranke den Berg hinunter getragen werden musste. Als das Boot eingesetzt war, ging die Besatzung noch einmal den zurückgelegten Weg ab, um sicher zu gehen, dass nichts liegen blieb. Es war inzwischen finstere Nacht. Der Landdienst war verständlicherweise voller Sorge, dass den Ruderern etwas zugestoßen sein könnte, sodass Max sich entschied, uns suchen zu fahren. Wir hatten uns an der Schleuse scheinbar um Minuten verpasst. Die Ruderer, inzwischen wieder auf dem Wasser, trauten sich kaum, in normaler Geschwindigkeit zu rudern. Der Steuermann musste wegen Nachtblindheit ausgetauscht werden. Es zog schnell Nebel auf. Die Schleuse, von unten betrachtet, sah mit ihren gotischen Türmen, ihren zwei Toren und der Scheinwerferbeleuchtung gepaart mit roten Lampen aus wie ein Höllenschlund. Fische wirbelten das Wasser auf, Menschen, die sich nicht bewegten, standen am Ufer und beobachteten uns. Vögel umkreisten bereits das Boot; man sah sie freilich nicht, aber wir spürten ihre Anwesenheit. Nach wenigen hundert Metern erreichten wir die Mündung der Moldau in die Elbe und damit das Bootshaus des Rudervereins in Melnik. Es war geschafft. Die Anspannung der letzten Stunden viel von unseren Schultern wie warmes Wachs. Die bereits fertig gekochte Suppe konnte dann nach der Dusche gegen Mitternacht eingenommen werden.
Am kommenden Tag ruderten die Billunger motiviert weiter in Richtung Litomerice. Und das obwohl die Helden des Vortages ihren Muskelkater, vor allem aber ihre Hinternschmerzen noch bei Weitem nicht überwunden hatten. Auf der Elbe konnte man noch sehr gut die Schäden sehen, welches das Hochwasser im Frühjahr 2013 angerichtet hat. Die Etappe verlief vollkommen planmäßig und ohne weitere Zwischenstörungen, sodass wir zu einer akzeptablen Uhrzeit in Litomerice ankamen und dort unser Quartier bezogen. Das Quartier waren zwei Blockhütten und befand sich auf einen Campingplatz mit kleinem idyllischem Restaurant. Ebenso idyllisch wie der Campingplatz war das kleine Örtchen. Am folgenden Tag hatten wir Aufenthalt und konnten uns dies somit genauer ansehen, während andere, noch immer nicht der körperlichen Ertüchtigungen satt, sportlichen Aktivitäten nachgingen. Am Abend genehmigten wir es uns, beim Campingplatz eigenem Restaurant zu essen und fanden, dass dies eine gelungene Abwechslung darstellte.
Am darauf folgenden Tag, alle Dank des wunderbaren Essens und der noch besseren Verpflegung hoch motiviert, begann die dritte und letzte vollständig in Tschechien liegende Etappe. Auch diese verlief problemlos, jedoch mit ein paar kleinen Regenschauern. Wir durchquerten mehrere Industriegebiete und sahen verlassene Häfen, wunderschöne Eisenbahnbrücken und gigantische Schleusen. Eine dieser Schleusen bleibt uns besonders in Erinnerung, da nach dieser die Strömungsgeschwindigkeit der Elbe deutlich zunahm und wir entsprechend weniger rudern mussten. Am Nachmittag kamen wir in der Nähe unseres Quartiers an. Wir waren alle froh, als wir vom Landdienst zu hören bekamen, dass wir wieder in einer festen Unterkunft untergebracht werden und die Zelte nicht aufgebaut werden müssen. Was uns aber dann erwartete war doch noch eine Überraschung. Ein durchaus kleines Häuschen. Selbst unser abgebrochene Gartenzwerg Dr. Schwarte (1,4m) stieß sich hier noch den Kopf im Türrahmen. Das Haus befand sich in einem sehr ausbaufähigen Zustand. Einigen Außenwänden fehlte der Putz, die Risse waren teils handbreit und in den anderen Zimmern (welche von uns nicht bewohnt wurden) sah man teils die darunter liegende Etage. Die beiden bereits renovierten Zimmer waren dafür recht nett hergerichtet und so machten wir es uns gemütlich.
Die vierte (und letzte richtige) Etappe führte uns nach Pirna. Obwohl diese Etappe durchaus einige Kilometer hatte verging sie wie im Flug und wir hatten sogar sehr viel Spaß. Wir konnten uns sehr viel treiben lassen und schwimmen gehen und kamen dennoch rechtzeitig am Ziel an. Einige Kilometer fuhren wir auf der Grenze zwischen Deutschland und Tschechien lang, bis wir dann endgültig unverkennbar in Deutschland waren. In Pirna konnten wir in der Ruderverein eigenen Sporthalle übernachten.
Von dort aus brachen wir zur letzten Etappe auf. Diese war allerdings nur 16 Kilometer lang. Entsprechend Zeit ließen wir uns und betrachteten das wunderschöne Elbsandsteingebirge. Dennoch war diese Fahrt die wohl aufregendste. Eines der uns bereits bekannten Kreuzfahrtschiffe zwischen Pirna und Dresden hatte eine etwas größere Welle, sodass das Boot mit sehr viel Wasser volllief und die Füße mit Wasser bedeckt wurden. Da wir damit nicht gerechnet hatten, hatten wir uns die aus den vergangenen Wanderfahrten bekannten und bewährten Schöpf-o-maten nicht mitgenommen. (Preis 0,25ct (Pfand) Wahrer Wert: Unbezahlbar!) Somit mussten wir uns mit Gegenständen an Bord schleunigst kleine Behälter bauen um irgendwie das Wasservorkommen aus dem Boot in den Fluss zu verlagern. Dies gelang mit viel Aufwand tatsächlich auch. Angekommen in Dresden machten wir es uns erst einmal gemütlich. Der Dresdener Ruderverein beherbergte neben uns noch einen weiteren Ruderverein, welcher ebenfalls auf Wanderfahrt war.
Am kommenden und letzten vollständigen Tag der Wanderfahrt machten wir Dresden unsicher. Da dies auch eine kulturell sehr wertvolle Stadt ist ließen wir es uns nicht nehmen auch hier einen Stadtführer zu besorgen und sämtliche Wahrzeichen zu besichtigen. Unterstützt wurden wir hier von Lene und Sophie. „Unsere“ Mädels, welche leider in Celle bleiben mussten und nicht an der Wanderfahrt teilnehmen konnten. Den letzten Tag ließen sie sich aber nicht nehmen und besuchten uns mehr oder weniger spontan in Dresden. Die Freude war riesig! Zudem besuchten wir die Dresden recht nahe gelegene Bastei-Brücke. Dieser Besuch war ein kulturelles Muss.
Somit ist wieder einmal das Ende einer großartigen Wanderfahrt perfekt gewesen. Nach einer eher weniger spannenden, dafür musikalischen Rückreise nach Celle am Folgetag säuberten wir die Boote und stellten fest, dass wir die gesamte Wanderfahrt sehr sparsam waren. Dies hat vielerlei Gründe. Zum einen sind die Lebensmittel, vor allem die Backwaren in Tschechien günstiger und zum anderen hat unser Fahrtenleiter die PIN seiner Karte vergessen, sodass wir die gesamte Wanderfahrt über mit leeren Händen dastanden und alle Privat auslegen mussten. Das Sparen ist allerdings nicht so schlimm, da das ein oder andere Kilo doch etwas stört (Dr. Schwarte alias Michael Speckson oder Max Pfund). Dazu kommt, dass wir die ersten drei Nächte in Prag kostenlos übernachten konnten.
Es bleibt nun noch eines. Danke zu sagen. An demjenigen, der seit einiger Zeit immer wieder diese perfekten Wanderfahrten organisiert und sie für uns alle zu einem einmaligen Ereignis macht. Sowohl durch seine Organisation als auch durch sein Dasein. Wir danken dir alle Häffa!