Verfasser: Jürgen Butzkamm
Es war Samstagmorgen, der 22. September 2012, zu einer Zeit, wo andere noch urgemütlich ihr Frühstück mit der Morgenzeitung verbringen, als gegen 8.25 Uhr 6 Billunger Ruderer sternförmig dem Celler Bahnhof zustrebten. Es galt die S6 auf dem Bahnsteig 3 zu erreichen. Gut 10 Minuten vor der Abfahrt saßen alle 6 (Heinz, Fritz, Walter, Jürgen, Uwe und Michael) in der Bahn und schauten sorgenvoll gen Westen, wo – tiefgrau bis schwarz – schwere Regenwolken aufzogen. Doch je stärker wir uns Hannover näherten, umso mehr lichtete sich der Himmel. Von der Haltestelle Karl Wiechert Allee ging es zielstrebig, häufig durch großzügig angelegte Grünanlagen, zu der Tochter von Walter, die ein Haus bewohnt, das früher Fritzens Bruder gehört hatte. Und was machten wir da? Das, was Ruderer, abgesehen vom Rudern, am meisten tun: Trinken und Essen. So war denn der Tisch auch vorsorglich reich gedeckt und natürlich dauerte es seine Zeit bis der Hunger und der Durst ausreichend gestillt worden waren. Schließlich darf man Gastgeber nicht mit zu vielen Resten allein lassen. Nach einer kurzen Besichtigung des Hauses, wo eine Familie mit 2 kleinen Kindern, interessant gegliedert, in einer schönen und harmonisch gestalteten Wohn-gegend zu Hause war, ging es unter sachkundiger Führung von Fritz, der alle Details der Tour sorgfältig ausgearbeitet hatte, parkwärts.
Nach einer schon älteren Siedlungs-gegend mit Einzelhäusern seitlich vom Kanal, erreichten wir zuerst den Lönspark mit dem Annateich. Besondere Sichtachsen galt es zu genießen, weite Blicke in eine vielgestaltige Natur, die man in einer Großstadt wie Hannover nicht vermutet hätte. Eine alte Bockwindmühle wurde restauriert, anbei ein interessantes Ausflugslokal („Zur alten Mühle“), von Heinz und anderen aufmerksam in Augenschein genommen, zwecks späterer Erkundigungen mit den Ehefrauen. Dann ging es durch die Eilenriede zum Maschsee. Unterwegs besichtigten wir das Philosophenviertel, mit besonders schönen alten und neuen Häusern. Fritz hatte dort früher einmal gewohnt, ausgerechnet in der Schopenhauerstrasse. Zum Glück hat der Schopenhauer nicht sonderlich auf Fritz abgefärbt. Hin und wieder gab es einen Reaktionstest, wie schnell wir wohl in eine grundsätzlich neue Richtung umschalten können. In der Regel bestanden wir die Tests, wenn auch mit manchen Schrecksekunden und Schweiß-tropfen garniert. Am Döhrener Turm vorbei strebten wir zum nächsten architektonischen Highlight: Gegenüber vom Engesoder Friedhof gibt es einen hochmodernen Stadtwohnungskomplex mit einer außergewöhnlichen Gartenanlage, die – besonders von Michael – angemessen gewürdigt wurde. Wieder sattelten wir unsere Drahtesel und an der Waldorfschule vorbei fuhren wir zum südlichen Rand des Maschsees, um ihn an der Westseite – wieder nach Norden wendend – abzufahren. Wir besichtigten die Staustufe der Leine mit einem Kraftwerk, hörten Musik aus Walters Wahlheimat, der AWD Arena und an den Ruder-, Paddel-, und Segelclubs vorbei radelten wir zum Neuen Rathaus, zu einer vorbestellten Führung. In der Halle waren viele Hochzeitspaare, die die Kulisse zum Fotoshooting nutzten. Die vier Stadt-modelle erschlossen Struktur, Wandel und Entwicklung der Hauptstadt an der Leine und Ihme. Der Plenarsaal, mit seiner technokratischen Nüchternheit der 50er Jahre, stand im Kontrast zum harmonisch im Jugendstil durchgestalteten Hodlersaal. Eigentlich besonders für weibliche Besuchergruppen geeignet, denn das Hodlergemälde bestach durch besonders knackige Männerärsche. Die anschließend geplante Fahrt auf die Rathauskuppel hätte uns eine zu lange Wartezeit beschert, so entschlossen wir uns, sofort zum Landtag zu fahren, um dort die Räder für eine längere Stadtführung abzustellen. Ein kurzer Regenschauer – der einzige für uns an diesem Tag – verzögerte kurz die Abfahrt. Dann ging es zur Markthalle zu einem Imbiß, der die unterschiedlichen Geschmäcker, wenn auch nicht gerade nach Feinschmeckerart, befriedigte. Im Landtag gab es dann eine ausführliche Einführung in die architektonischen Besonderheiten und laufenden Auseinandersetzungen. Am Ende war allen klar, der von Fritzens Vater, Dieter Oesterlen entworfene und gebaute Landtag, darf nicht abgerissen werden. Als nächstes besuchten wir das Historische Museum am Hohen Ufer, ebenso ein Oesterlenbau, der die gegliederte Fachwerkkulisse gegenüber aufnahm und zur Geltung bringen konnte. Über den Ballhof schlenderten wir zur Kreuzkirche und dem Kreuzkirchenvier-tel, mit seiner mustergültigen Wiederauf-bauform einer Wohnstruktur nach dem 2. Weltkrieg. Die Marktkirche, nach dem Krieg von Fritzens Vater vorbildlich wieder hergestellt, war der letzte architektonische Höhepunkt der Führung. Vorbei am Alten Rathaus zog es uns zurück zu den Fahrrädern. Durch den Georgengarten, an der Uni und an der (ehemals für Jürgen wichtig!) EKD vorbei radelten wir zu den Herrenhäuser Gärten. Dort war Hochbetrieb – ein Feuerwerk warf seine Schatten (!) voraus. Doch wir waren spät dran. Ein scheuer Blick auf das noch entstehende Neue Schloss war uns noch gestattet. Aber dann konnte uns nichts mehr aufhalten: Zur Atzung! Das Spätzlehaus, versteckt gelegen, aber voll gefüllt, versprach köstlichen Genuß. Und das Spätzlehaus hat seine Versprechen gehalten – sofern man eben Spätzle mochte. Als wir fertig waren dunkelte es schon. Zielstrebig, mit voller Beleuchtung trampelten wir zum Bahnhof, wo kurz nach 20 Uhr die S-Bahn uns wieder aufnahm. In Celle zerstoben wir wieder in alle Richtungen heimwärts, dankbar für einen unterhaltsamen und lehrreichen Tag.